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Rahmenbedingungen der Patientenverfügung

 

1. Was ist eine Patientenverfügung?

Unter einer Patientenverfügung ist eine vorsorgliche schriftliche Erklärung zu verstehen, mit der ein einwilligungsfähiger Mensch zum Ausdruck bringt, inwiefern er in bestimmten Krankheitssituationen eine Behandlung wünscht, sofern diese letztlich nur dazu dient, sein ohnehin bald zu Ende gehendes Leben künstlich zu verlängern.

2. Worauf baut die Patientenverfügung rechtlich auf?

Die Würde des Menschen, Art. 1 Grundgesetz, als eigentliche Grundnorm der Verfassung wird gerade auch im Sterbebereich relevant. Daraus ergibt sich für den Kranken das Recht auf einen würdigen Tod, welches daher eine zentrale Stellung in der Diskussion um Sterbehilfe einnimmt. Für die Geltung der Patientenverfügung hat die Achtung der Würde des Menschen einen wichtigen Stellenwert, und stellt in diesem Zusammenhang die Grenze des ärztlichen Handelns und des strafrechtlichen Gebots zur Lebenserhaltung dar.

Die aus Art. 2 Grundgesetz herzuleitende Freiheit des Menschen über das eigene Leben zu bestimmen, schließt auch die Selbstbestimmung zum Tode ein. Somit hat auch der Kranke das volle Selbstbestimmungsrecht über seine leiblich-seelische Integrität. Die Patientenverfügung dient dabei als Gestaltungsmittel der Autonomie, da sie gerade auch das Recht sichert, die Selbstbestimmung durch erst in der Zukunft relevante Festlegungen auszuüben.

Zwischen Arzt und Patient wird bei Behandlungsübernahme ein Dienstvertrag gemäß § 611 BGB geschlossen. Dadurch übernimmt der Arzt eine Handlungspflichtbegründende Garantenstellung, woraus die Verpflichtung zur Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Gesundheit des Patienten resultiert. Jedoch ist in diesem Zusammenhang die ärztlicherseits vorgeschlagene Indikation immer nur als Angebot zu betrachten, welches der Patient annehmen oder ablehnen kann. In diesem Sinne ist die medizinische Indikation lediglich das Ergebnis eines Konsenses zwischen Arzt und Patient. Somit ist der Wille und nicht die Gesundheit des Kranken oberstes Gebot.

Nach der Rechtsprechung wird der ärztliche Heileingriff als eine tatbestandsmäßige Körperverletzung angesehen. Diese wird durch die Einwilligung des Patienten in die Behandlung gerechtfertigt. Der Patient hebt durch seinen geäußerten Willen die Garantenstellung des Arztes bezüglich des „Sterbenlassens“ auf und führt somit die Straflosigkeit des Arztes herbei, so dass insbesondere die Tatbestände der §§ 212 (Totschlag) und 223 (Körperverletzung) Strafgesetzbuch nicht erfüllt sind.

3. Welche Anforderungen sind an die Patientenverfügung zu stellen?

Im Folgenden soll geklärt werden, welche Anforderungen an Inhalt, Formulierung und Form von Patientenverfügungen gestellt werden, damit von deren Ernsthaftigkeit und Verbindlichkeit ausgegangen werden kann.

a. Einwilligungsfähigkeit des Verfassers:

Voraussetzung zur Erstellung einer Patientenverfügung ist die Einwilligungsfähigkeit und Volljährigkeit des Verfassers. Er darf also nicht durch Krankheit oder Behinderung daran gehindert sein, sein Selbstbestimmungsrecht in Gesundheitsangelegenheiten eigenverantwortlich wahrzunehmen. Dies ist auf Grundlage der Frage zu entscheiden, ob er sich der Schwere seiner möglichen Erkrankung bewusst ist, und ob er die Bedeutung und Tragweite des ärztlichen Eingriffs, sowie die Folgen einer Verweigerung medizinisch indizierter Maßnahmen überblicken kann.

b. Notwendiger Inhalt der Patientenverfügung:

Grundsätzlich ist der Verfügende bei der Abfassung einer Patientenverfügung bezüglich des Inhalts frei. Der Patient kann für bestimmte Situationen eine Behandlung ablehnen, der Inhalt kann aber ebenso einer eventuellen Unterversorgung vorbeugen, sofern der Patient den Wunsch nach einer Weiterbehandlung um jeden Preis hat. Insgesamt beinhaltet die Erklärung also Aussagen zu der Situation, für die sie gelten soll, sowie Angaben zur Einleitung, zum Umfang und zur Beendigung ärztlicher Maßnahmen.

Außerdem kann in der Patientenverfügung festgelegt werden, in welcher Weise Dritte (Angehörige, Freunde, Hausarzt, …) an einer solchen Entscheidung zu beteiligen sind. Nicht fordern kann ein Patient hingegen strafbare Handlungen, insbesondere verbotene Formen der Sterbehilfe.

c. Anforderungen an die Formulierung:

Die Ausformulierungen der Patientenverfügung sollten möglichst genau die entsprechenden Krankheitssituationen und die dann geforderten Maßnahmen beschreiben. Abstrakte Äußerungen, wie zum Beispiel die generelle Verweigerung lebenserhaltender Maßnahmen für jede Krankheitssituation, können die Aussagekraft der Patientenverfügung abschwächen. Juristisch einwandfreie Formulierungen sollten weiterhin ergänzt werden durch angehängte eigene Wertvorstellungen. Auch können Beweggründe (persönliche Erfahrungen, religiöse Gründe, …) geschildert werden, warum eine Patientenverfügung abgefasst wurde. Eine Rechtfertigungs- oder Begründungspflicht in diesem Sinne besteht gerade nicht, führt allerdings zu einer idealen Verknüpfung aus juristischer Verbindlichkeit und persönlicher Glaubwürdigkeit.

d. Formanforderungen:

Hinsichtlich der Erstellung einer Patientenverfügung besteht seit der gesetzlichen Regelung im Jahre 2009 die Voraussetzung der Schriftform. Es bedarf keiner Beglaubigung durch einen Notar. Für die rechtliche Verbindlichkeit sind keine Zeugen nötig, da nach deutschem Recht eine Urkunde (welche die Patientenverfügung darstellt) die so genannte „Vermutung der Richtigkeit“ in sich hat. Jedoch ist zu empfehlen, die Patientenverfügung mit einer Vertrauensperson zu besprechen, die zum Beispiel auch als Bevollmächtigter eingesetzt werden kann, und somit als Zeuge für Echtheit und inhaltliche Richtigkeit der vorgelegten Patientenverfügung dient. Auch aus der notariellen Beglaubigung können sich einige Vorteile ergeben: An erster Stelle ist zu benennen, dass der Notar bei einer solchen Urkunde die Einsichtsfähigkeit von Amts wegen zu prüfen hat, und so diesbezügliche Einwände kaum noch zu beweisen sind. Auch wird hierdurch die Hemmschwelle einer Missachtung durch Ärzte, Pflegekräfte und Heimleiter erhöht.

Viel wichtiger scheint es jedoch, die Patientenverfügung durch den in einem Vertrauensverhältnis zum Patienten stehenden Arzt gegenzeichnen zu lassen.

e. Ärztliches Aufklärungsgespräch:

Zu empfehlen ist vor der Abfassung ein Aufklärungsgespräch mit dem Arzt, um sich über das Ausmaß der Verfügung bewusst zu werden. Wirksamkeitsvoraussetzung ist dies  - auch nach der gesetzlichen Regelung - jedoch nicht. Da wir ein solches jedoch für äußerst sinnvoll erachten, bieten wir Ihnen an Kontakt zu Ärzten zu vermitteln, die solche Gespräche durchführen.

f. Aktualisierung:

Grundsätzlich hat eine Patientenverfügung kein Verfallsdatum. Sie gilt also prinzipiell bis zu ihrem Widerruf. Es wird jedoch empfohlen, sie in mindestens jährlichen Abständen durch erneute Unterschrift zu aktualisieren und/oder inhaltlich zu ergänzen.

g. Hinterlegung/Aufbewahrung:

Grundsätzlich sollte die Patientenverfügung an einem Ort hinterlegt werden, der einer ausgewählten Vertrauensperson bekannt ist. Sinnvoll ist weiterhin, einen Hinweis (Zettel im Portemonnaie, …) bei sich zu tragen, wo die Patientenverfügung aufzufinden ist. Dieser sollte Anschrift, Telefonnummern, E-Mail-Adressen, usw. der Personen beinhalten, die im Besitz der Patientenverfügung sind oder von deren Aufbewahrungsort Kenntnis haben. Auch ist die Hinterlegung einer Abschrift der Patientenverfügung beim Hausarzt zu empfehlen, da diese im „Bedarfsfall“ dem behandelnden Ärzten besonders schnell zur Verfügung gestellt werden kann.

Sofern die Patientenverfügung mit einer Betreuungsverfügung oder einer Vorsorgevollmacht verbunden ist, sollte diese dem Bevollmächtigten oder dem gesetzlichen Betreuer ausgehändigt werden. Außerdem ist in diesem Fall eine Hinterlegung beim Betreuungsgericht möglich.

4. Ist die Patientenverfügung verbindlich?

Die Anerkennung der Verbindlichkeit von Patientenverfügungen hat sich in den letzten Jahren erheblich verändert. Inzwischen ist die Verbindlichkeit der Patientenverfügung gegenüber jedermann im Gesetz in § 1901a BGB verankert. Insbesondere bindet sie Arzt, Kliniken, Pflegepersonal und Betreuer/Bevollmächtigte, da diese direkt mit der medizinischen Betreuung des Patienten beauftragt sind.

In den Fällen, in denen die vorformulierte Situationsbeschreibung nicht mit dem Lebenssachverhalt übereinstimmt, kommt der Patientenverfügung zumindest eine hohe indizielle Wirkung zu.

Dazu muss die Patientenverfügung  so formuliert sein, dass sie sich eindeutig auf die aktuelle Situation des Patienten beziehen lässt und ein Unterlassen lebensverlängernder Maßnahmen ausdrücklich fordern. Sind sich Arzt und Betreuer einig, dass ein Sterbenlassen dem ausdrücklichen oder mutmaßlichen Patientenwillen entspricht, so ist ihnen vom Bundesgerichtshof nunmehr aufgegeben, diesen auch ohne Hinzuziehung des Vormundschaftsgerichts durchzusetzen.

Kommt es jedoch in Konfliktlagen zur Einschaltung des Betreuungsgerichts (vormals Vormundschaftsgericht), so hat dieses nur noch zu überprüfen, ob die in der Patientenverfügung vom Patienten beschriebene Situation gegeben ist oder hilfsweise der Behandlungsabbruch dessen mutmaßlichen Willen entspricht.

Somit belegt nunmehr auch das Gesetz, dass einer den o.g. Maßstäben entsprechend abgefassten Patientenverfügung absolute rechtliche Verbindlichkeit zukommt und die Gerichte lediglich als Kontrollinstanz in strittigen Fällen Bedeutung erlangen.

5. Kann die Patientenverfügung widerrufen werden?

Die Patientenverfügung ist jederzeit formlos widerrufbar. Ausreichend hierfür ist also ein Zeichen körperlicher Art, wie Kopfnicken oder Augenzwinkern etc. Bis zu ihrem Widerruf gilt die Patientenverfügung unabhängig davon, wie lange der Abfassungszeitpunkt zurückliegt.

6. Kann die Patientenverfügung gerichtlich durchgesetzt werden?

Patientenverfügungen können gerichtlich durchgesetzt werden, sofern deren Inhalt nicht umgesetzt wird.

Falls der Arzt oder die Klinik die Umsetzung der Patientenverfügung verweigert, kann eine Anzeige wegen Körperverletzung drohen. Gegenüber Heimen besteht die Möglichkeit bei Nichtbeachtung der Patientenverfügung trotz ärztlicher Anordnung durch eine Unterlassungsklage vor dem Zivilgericht rechtlich vorzugehen. Hierbei wird eine Einstellung der weiteren lebenserhaltenden Maßnahmen gefordert. Inhalt des Klageantrages ist also das Unterlassen einer weiteren Körperverletzung.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Strafgerichte ein eventuell strafbares Handeln der Beteiligten überprüfen und vor den Zivilgerichten mögliche Ansprüche auf ein Sterbenlassen des Patienten durchgesetzt werden können. Zum Zuständigkeitsbereich der Betreuungsgerichte (Anrufung in Konfliktlagen) gilt das oben Gesagte.

Klarzustellen ist jedoch, dass eine gerichtliche Durchsetzung des Inhalts der Patientenverfügung auch im Patienteninteresse das letzte Mittel sein muss. Ein Arzt, der nicht hinter seinem Handeln stehen kann, oder ein Heim, in dem die Situation aufgrund einer solchen Auseinandersetzung unerträglich wird, kann für den Patienten und alle Beteiligten nur von Nachteil sein.

Rechtsanwälte Dr. Kahl + Dr. Koch + Metz
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